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UPDATE – Gesetzliche Vermutung der Veränderung der Geschäftsgrundlage: Bundestag verabschiedet Regelung zu den Rechtsfolgen des Lockdowns im Gewerbemietrecht

Sehr geehrte Damen und Herren,

in unserem Newsletter vom 16.12.2020 berichteten wir, dass die Bundesregierung eine Regelung mit Bezug zum Gewerbemietrecht plante, nach der gesetzlich vermutet wird, dass erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzesbeschluss inzwischen am 17.12.2020 verabschiedet (BT-Drs. 19/21981, 19/22773).

Konkret wurde nun beschlossen, dass eine Vermutung dahingehend gilt, dass eine schwerwiegende Veränderung von Umständen, die Vertragsgrundlage geworden sind, im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen verwendbar sind (Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB n.F.). Nach den Begründungen des Gesetzgebers in den Gesetzgebungsmaterialien soll mit der vorbezeichneten Neuregelung lediglich klargestellt werden, dass § 313 BGB auf die pandemiebedingten „Lockdowns“ und ähnliche einschränkende Maßnahmen mit negativen Folgen für den Geschäftsbetrieb von Mietern grundsätzlich Anwendung findet. Die Vermutungsregelung stellt zugunsten von Mietern eine erhebliche Erleichterung dieser Anforderung des § 313 BGB dar. Für Neuverträge, die zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, in dem staatliche Beschränkungsmaßnahmen bereits in Kraft getreten waren oder sich deren Inkrafttreten abzeichnete, ändert sich durch die Neuregelung nichts. Diese bleiben vom Anwendungsbereich des § 313 BGB weiterhin ausgeschlossen.

Ebenso ausdrücklich ist in den Gesetzgebungsmaterialien klargestellt, dass die Neuregelung einen Mieter nicht von der Verpflichtung entbindet, die weiteren Voraussetzungen des Rechts auf Vertragsanpassung bei Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) im Streitfall darzulegen und zu beweisen (BT-Drs. 19/25322, Seite 20). Insbesondere bleibt daher vom Mieter nachzuweisen, dass er den Mietvertrag in Kenntnis insbesondere drohender pandemiebedingter Maßnahmen nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätte (sog. hypothetisches Element) und dass der gegenwärtige Mietvertrag (bzw. die Zahlungspflichten daraus) für ihn eine unzumutbare Belastung mit sich bringt (sog. normatives Element).

Die Rechtsfolgen einer Störung der Geschäftsgrundlage, die im Gesetz nur mit „Anpassung des Vertrages“ bezeichnet sind, werden durch die Gesetzesänderung bezüglich pandemiebedingter Einschränkungen nicht konkretisiert. Der Gesetzgeber verweist darauf, dass Vertragsanpassungen nur im angemessenen Umfang begehrt werden können, um die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein Gleichgewicht zu bringen. Bei der Frage, ob der Mieter Anspruch auf Vertragsanpassung hat und, falls ja, ob diese in einer Anpassung des Mietzinses, einer Stundung oder sonstigen Anpassungen besteht, bleibt es daher bei der Maßgeblichkeit sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Vor diesem Hintergrund will der Gesetzgeber die Neuregelung als Ansporn verstanden wissen, dass die Mietvertragsparteien im Einzelfall aus eigenem Antrieb in entsprechende Verhandlungen einsteigen, um ein entsprechendes Ergebnis auch ohne gerichtliches Verfahren zu erreichen.

Im Hinblick auf dennoch zu erwartende gerichtliche Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht sieht der Gesetzesbeschluss die Einführung eines Vorrang- und Beschleunigungsgebots für Gerichtsverfahren vor. Ein früher erster Termin vor Gericht soll spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden ( § 44 EGZPO n.F.).

Die Gesetzgebungsmaterialien umfassen ferner einen Hinweis darauf, dass sonstige mietrechtliche Bestimmungen, unter anderem das ebenfalls viel diskutierte mietrechtliche Minderungsrecht, nicht tangiert werden und diese auch nicht gesperrt werden. Im Ergebnis überlässt der Gesetzgeber die Klärung, ob ein Minderungsrecht wegen COVID-19-Beschränkungen besteht, damit bis auf Weiteres weiterhin der Zivilgerichtsbarkeit (wir berichteten im SATELL-Newsletter vom 16.11.2020).

Die beschlossene Gesetzesänderung dürfte in der Tat dazu führen, dass in einer Vielzahl von Fallgestaltungen die Verfolgung einer außergerichtlichen Lösung anzuraten ist, da der Gesetzgeber das Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB bei erheblicher betrieblicher Betroffenheit eines Mieters von behördlichen COVID-19-Beschränkungen im Grundsatz annimmt. Eine wesentliche Hürde für Gewerberaummieter bei der Geltendmachung einer Vertragsanpassung ist damit aus dem Weg geräumt. Da es darüber hinaus dabei bleibt, dass der Mieter jeweils darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, inwieweit er Umsatzeinbußen hat und diese durch Kosteneinsparungen nicht kompensiert werden können, ist weiterhin eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.

Sofern Sie Fragen oder sonstige Anliegen rund um das Thema haben, kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Claudia Schilling                  Felix Daum                   David Quick

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