Sehr geehrte Damen und Herren,
die Immobilienbranche muss sich seit (gefühlt) jeher mit der Schriftform bei Gewerbemietverträgen auseinandersetzen. Gleiches gilt für die Branche der Erneuerbaren Energien, auch wenn man dort im Rahmen der Flächensicherung die gewerblichen Mietverträge üblicherweise als „Nutzungsverträge“ oder „Gestattungsverträge“ betitelt – es sind im Regelfall Mietverträge!
Nachdem die Branchen im Umgang mit dem Schriftformgebot mittlerweile weitestgehend geübt sind und unzählige Rechtsprechung hierzu besteht, sind die mit Gewerbemietverträgen agierenden Personen durch das Ende Oktober verkündete Bürokratieentlastungsgesetz IV (BGBl. 2024 I Nr. 323) gezwungen, sich mit Änderungen und deren Folgen auseinanderzusetzen: Der Gesetzgeber hat beschlossen, ab dem 01.01.2025 für den Abschluss von Gewerbemietverträgen (und deren Nachträgen) statt der Schriftform die Textform ausreichen zu lassen. Das ist den meisten nicht (mehr) neu! Es stellt sich aber weiter die Frage, ob diese einschneidende Änderung tatsächlich eine Vereinfachung und Erleichterung mit sich bringt oder nicht auch zu Anwendungsproblemen führt, für die es Sensibilität und Lösungen zu entwickeln gilt.
Schriftformgebot
Grundsätzlich ist der Abschluss von Mietverträgen formfrei möglich und der geschlossene Vertrag wirksam. Erfüllt der Mietvertrag jedoch nicht die gesetzliche Schriftform (§ 126 BGB), ist die von den Parteien vereinbarte Laufzeit hinfällig. Der Vertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550 S. 1 BGB) und ist daher mit gesetzlicher Frist ordentlich kündbar (§ 542 Abs. 1 BGB), wobei die Kündigung jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietgegenstandes zulässig ist (§ 550 S. 2 BGB). Die Vorschrift des § 550 BGB gilt bzw. galt über den Verweis in § 578 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB auch für Gewerbemietverträge.
Bislang war die Einhaltung der Schriftform eine der höchsten Prioritäten bei Parteien von Gewerbemietverträgen – zumindest, sofern die Parteien die Nichteinhaltung nicht als „Hebel“ für Nachverhandlungen oder gar als Lösungsmöglichkeit von unliebsam gewordenen Mietverträgen nutzen wollten.
Zur Einhaltung der Schriftform ist ein Gewerbemietvertrag von beiden Parteien handschriftlich abschließend zu unterzeichnen. Unter gewissen Voraussetzungen kann die handschriftliche Unterschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Daneben ist die Einheitlichkeit der Urkunde zu wahren. Das erfordert, dass alle wesentlichen Vertragsbestandteile und solche, die die Parteien als wesentlich erachten, in einer Vertragsurkunde bestimmbar enthalten sind. Das bedeutet nicht zwingend eine feste Verbindung sämtlicher mietvertraglicher Unterlagen. Die Einheitlichkeit der Urkunde ist erfüllt, wenn der inhaltliche Zusammenhang des Mietvertrages, etwaiger Nachträge sowie der Anlagen gegeben ist, z.B. durch fortlaufende Paginierung, Verweisungen, etc..
Zweck des Schriftformgebots ist primär der Schutz des Erwerbenden eines Grundstücks, der gemäß § 566 BGB grundsätzlich in bestehende Mietverhältnisse eintritt. Dieser soll sich über alle wesentlichen Inhalte eines Mietvertrags unterrichten können, den er selbst nicht geschlossen hat, aber übernehmen muss. Gleichermaßen kommt der Schriftform daneben Beweis- und Warnfunktion auch gegenüber den Vertragsparteien zu.
Textformgebot
Ab dem 01.01.2025 wird § 578 Abs. 1 BGB geändert – künftig heißt es dort:
„Auf Mietverhältnisse über Grundstücke sind die Vorschriften der §§ 554, 562 bis 562d, 566 bis 567b sowie 570 entsprechend anzuwenden. § 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“
Damit genügt in Zukunft die vermeintlich einfacher zu erfüllende Textform an Stelle der Schriftform zur Wahrung der langfristig vereinbarten Laufzeit eines Mietvertrages.
In Abgrenzung zur Schriftform erfordert die Textform (§ 126b BGB) die Abgabe einer lesbaren Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger. Der Erklärende muss dabei für den Empfänger zweifelsfrei identifizierbar sein. Erklärungen in Textform sind beispielsweise via E-Mail, SMS oder Messengerdienst (u.a. Whatsapp) möglich. Ferner kommen das Einfügen eingescannter Unterschriften oder andere Formen der (einfachen) elektronischen Signatur als Textformerklärung in Betracht. Entscheidender Unterschied zur Schriftform ist, dass eine händische Unterschrift bei der Textform nicht erforderlich ist.
Für alle Verträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr, die ab dem 01.01.2025 geschlossen werden, gilt grundsätzlich das Textformgebot. Dies umfasst auch Nachträge zu bestehenden Mietverträgen. Für Verträge, die vor dem 01.01.2025 geschlossen wurden bzw. werden, gibt es eine Übergangsregelung. Das heißt auf diese Bestandsverträge findet das bisher geltende Schriftformgebot bis 31.12.2025 Anwendung und sie können bis zum Ablauf der Übergangsfrist wegen eines Schriftformverstoßes gekündigt werden. Nach Ablauf der Übergangsfrist gilt die neue Regelung des § 578 Abs. 1 S. 2 BGB für alle Gewerberaummietverträge.
Konsequenzen
Die Reduzierung des Formerfordernisses stellt sicherlich eine Erleichterung des Vertragsabschlusses dar. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass oftmals die zeichnungsberechtigten Personen nicht oder nicht kurzfristig am Ort der Vertragsurkunde zur Verfügung stehen können und im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Unterlagen meist ohnehin digital existieren. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass ein Mietvertrag auch weiterhin ordentlich kündbar ist bzw. wird, wenn die maßgebliche (Text)Form nicht erfüllt ist. Mündliche Abreden oder Änderungen durch die „gelebte Praxis“ führen auch in Zukunft zu einem Formverstoß.
Auch zur Textformwahrung dürfte weiterhin die Bestimmbarkeit der wesentlichen Vertragsinhalte erforderlich sein, da eine Abkehr von den Grundsätzen der durch die Rechtsprechung für die Schriftform entwickelten Einheitlichkeit der Urkunde wohl nicht zu erwarten ist. Das Erfordernis der Urkundeneinheit wird künftig vielfach die Gerichte beschäftigen. Gerade wenn man – wenn auch wohl eher praxisfern – verschiedene Medien (z.B. E-Mails, Fax, SMS, etc.) zur Vereinbarung vertraglicher Inhalte verwendet und die entsprechenden Verweise nicht vorhanden oder nicht mehr nachvollziehbar sind.
Es besteht das Risiko, dass die Verhandlungsphase und der Zeitpunkt einer verbindlichen mietvertraglichen Einigung verschwimmen. Dies wiederum führt im schlimmsten Fall zu unbeabsichtigten Abreden, jedenfalls aber zu Rechtsunsicherheit bei umfangreicher und unübersichtlicher Korrespondenz. Man hat gegebenenfalls einen wirksamen Vertrag durch E-Mail-Korrespondenz geschlossen. Das war zwar bereits früher schon möglich und es stellt sich die Frage nach einem Rechtsbindungswillen, jedoch wäre nunmehr im Falle des Zustandekommens des Vertrages auch die Form für dessen Langfristigkeit gewahrt. Gerade im Vertragsmanagement sollte hierauf Augenmerk gelegt und gegebenenfalls mit Vorbehalten gearbeitet werden.
Mit der Gesetzesänderung ist auch eine Aufweichung des Erwerberschutzes verbunden. Vertragliche Absprachen und Änderungen, die per E-Mail oder gar Messengerdienst getroffen werden, laufen Gefahr, nicht hinreichend dokumentiert und mithin nicht mehr nachvollziehbar zu sein. Bindend wären solche textformkonformen Abreden aber trotzdem. Damit wirkt sich die Gesetzesänderung auf die Transaktionspraxis aus. Die niedrigeren Voraussetzungen für die Einhaltung des Textformgebots im Vergleich zur Einhaltung des Schriftformgebots führen dazu, dass gerade Erwerbende – aufgrund der vereinfachten Möglichkeit Mietvertragsänderungen vorzunehmen – erhöhte Vorsicht an den Tag legen müssen. Dies betrifft insbesondere die rechtliche Ankaufsprüfung im Rahmen der regelmäßig durchzuführenden Due Diligence, aber auch die Erweiterung etwaiger Garantiekataloge.
Etwaige Vereinbarungen zur Schriftform in den Schlussbestimmungen, insbesondere in Bestandsverträgen, sind genauer zu betrachten. Ist dort schlicht die „Schriftform“ gewählt, ist zu hinterfragen, welche Rechtsfolge ein etwaiger Verstoß haben soll(te). In welchem Umfang Formklauseln bzw. entsprechende Gestaltungen in nach dem 01.01.2025 geschlossenen Verträgen wirksam möglich sind, wird sich zeigen. Eventuell feiert sogar die „Heilungsklausel“ ihr Comeback. 2017 wurde die sog. Schriftformheilungsklausel vom BGH zwar für unwirksam erklärt. Es bleibt aber abzuwarten, ob diese Rechtsprechung auch bei einer Heilungsklausel zu einer gewillkürten Schriftform oder bei einer Textformheilungsklausel hält, wenn doch gerade durch die Gesetzesänderung der Erwerberschutz zumindest abgeschwächt wirkt.
Auch Regelungen in Bestandsverträgen, in denen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, etwaige bei Abschluss des Vertrages nicht abschließend bestimmbare Inhalte durch einen „schriftformgerechten“ oder „formgerechten“ Nachtrag im Nachgang festzuhalten, ist Aufmerksamkeit zu schenken. Gleiches gilt bei dem Versuch, die Mietverträge von flankierenden dinglichen Rechten zu trennen, wenn im Vertrag klargestellt wurde, dass die dinglichen Rechte bei einer Kündigung wegen eines „Schriftformverstoßes“ fortbestehen sollen.
Fazit/Ausblick
Der Gesetzgeber hatte mit seiner Änderung des Schriftformgebots hin zur Textform durchaus positive Absichten im Sinn. Es ist aber zu bezweifeln, dass die Reform insgesamt zu Erleichterungen führt. Fest steht jedenfalls, dass Kündigungen aufgrund von Formverstößen auch in Zukunft möglich sein werden und nicht minder unerhebliche Fragezeichen und Herausforderungen verbleiben, die die Mietvertragspraxis auch nach Inkrafttreten des Textformgebots beschäftigen werden.
Der Umgang der Branchen wird spannend zu beobachten sein. Wird die Textform angenommen und, wenn ja, wie handhaben die Agierenden die deutlich gesteigerten Dokumentationsanforderungen? Wie schützt man sich vor rechtlich bindenden Vertragsabreden und Vertragsänderungen bei umfangreicher textformkonformer Korrespondenz im Rahmen der Vertrags- bzw. Nachtragsanbahnung? Oder wird/kann man in Zukunft doch die (altbewährte) Schriftform vertraglich vereinbaren? Kommen womöglich Hybridmodelle oder eine „modifizierte“ Textform in Betracht? Wie wird mit Bestandsverträgen umgegangen, die sog. einfache oder doppelte Schriftformklauseln enthalten? Und was macht die Rechtsprechung?
All dies gilt es rechtssicher zu klären und zu gestalten. Hierbei unterstützen wir Sie selbstverständlich gern und stehen Ihnen bei allen Fragen rund um Schriftform und Textform zur Verfügung!
Mit freundlichen Grüßen
SATELL Rechtsanwälte Steuerberater
PS: Rechtsanwalt Florian Vogl, LL.M., fasst das Thema für Sie auch auf unserem YouTube-Kanal zusammen. Wenn Sie das Video zur Schrift- und Textform sehen möchten, klicken Sie hier.