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BGH-Entscheidung zur Mietzahlungspflicht bei pandemiebedingter Geschäftsschließung – keine pauschale Mietkürzung möglich

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem im vergangenen Jahr diverse Oberlandesgerichte mit der Frage befasst waren, ob und in welchem Umfang es bei pandemiebedingten Geschäftsschließungen in Gewerbemietflächen zu Mietkürzungen kommen kann, und diese hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten haben (vgl. u.a. OLG Dresden, Urteil v. 24.02.2021 – 5 U 1782/20; OLG Karlsruhe, Urteil v. 24.02.2021 – 7 U 109/20; OLG München, Hinweisbeschluss v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20), hat mit Urteil vom 12. Januar 2022 nunmehr der Bundesgerichtshof (Az.: XII ZR 8/21) erstmals konkret Stellung bezogen.

Ausgangspunkt der aktuellen BGH-Rechtsprechung war eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden. Dieses hatte entschieden, dass infolge des Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung auf Grundlage der Allgemeinverfügungen eine Störung der Geschäftsgrundlage des streitgegenständlichen Mietvertrags nach § 313 Abs. 1 BGB gegeben und eine Anpassung des Vertrags dahin geboten sei, die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung pauschal auf die Hälfte zu reduzieren.

Die angeordneten Betriebsschließungen führen nach Auffassung des Karlsruher Spruchkörpers nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB, so dass eine Mietkürzung infolge einer mangelbedingten Mietminderung ausscheidet. Dies wurde erwartungsgemäß damit begründet, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht, was für die Annahme eines Mangels aber erforderlich wäre. Den Anwendungsbereich der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) hält der Bundesgerichtshof hingegen grundsätzlich für eröffnet und bestätigt in seiner gestrigen Entscheidung, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch von Gewerberaummietenden auf Anpassung der Mietzahlungspflicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Hierzu sei aber erforderlich, dass der Mietvertragsabschluss vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie bzw. vor Absehbarkeit der Infektionsschutzmaßnahmen erfolgt ist.

Der Senat betont, dass allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB nicht zu einer Vertragsanpassung berechtigt. Vielmehr ist weitere Voraussetzung, dass der betroffenen Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach der höchstrichterlichen Urteilsbegründung bedarf es einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, bei der zunächst von Bedeutung sei, welche Nachteile dem Mietenden durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden seien. Ein pauschaler Abzug von 50 %, wie vom OLG Dresden entschieden, sei nicht geboten.

Etwaige zu berücksichtigende Nachteile der gewerblichen Mietpartei bestehen laut Bundesgerichtshof primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung, wobei auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei. Es müsse auch berücksichtigt werden, welche Maßnahmen der Mietende ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, verlangt der Bundesgerichtshof, dass grundsätzlich auch die endgültigen finanziellen Vorteile zu beachten seien, welche die Mietpartei aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Dabei seien auch Leistungen einer eventuell einstandspflichtigen Betriebsversicherung zu berücksichtigen.

Aus der gestrigen Entscheidung folgt für die Praxis, dass der Annahme eines Mietmangels und auch pauschalen Mietkürzungen die Grundlage entzogen sein dürfte. Zugleich wurde jedoch bestätigt, dass Mietern grundsätzlich – auch rückwirkend – ein Anpassungsverlangen möglich ist, wobei es weiterhin eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls bleibt, ob und in welcher Höhe eine Anpassung der Miete für durch die gesetzgeberischen Infektionsschutzmaßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen erfolgen kann. Daher bleibt es weiterhin den im jeweiligen Streitfall zuständigen Gerichten überlassen, sämtliche maßgeblichen Gesichtspunkte im Falle einer begehrten Mietkürzung gegeneinander abzuwägen, so dass eine einheitliche Rechtsprechung aufgrund der jeweiligen Einzelfallentscheidung wohl nicht zu erwarten ist. Vergleichsweise Lösungen unter den Mietvertragsparteien erscheinen daher – sofern möglich – weiterhin empfehlenswert.

Der Vollständigkeit halber möchten wir Sie darauf hinweisen, dass derzeit ein weiteres Verfahren zu diesem Themenkomplex beim Bundesgerichtshof anhängig ist (Az.: XII ZR 15/21), über dessen Entwicklungen wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

Sofern Sie Fragen oder sonstige Anliegen rund um das Thema haben, kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Mit freundlichen Grüßen

David Quick          Felix Daum          Dr. Claudia Schilling

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